SONY FE 400mm f2.8 GM

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Seit 2020 ist es bei mir und um es vorweg zu nehmen, ich zweifle immer wieder mal, ob solch ein Objektiv für einen Hobbyisten Sinn macht. Denn es ist gross, unhandlich, auffällig und vor allem teuer. So teuer, dass es einem als Hobbyist schwerfällt Gründe für seine Rechtfertigung zu finden. Perfektion? Angeben? Geldanlage?

Ja irgendeine Mischung aus all dem muss es sein. Ich halte mich weder für einen Perfektionisten, noch für einen Angeber. Wahrscheinlich ist es die heimliche Sehnsucht, so wie früher mit dem 400er am Spielfeldrand im Fussball-Stadion zu sitzen, tolle Bilder einzufangen und die Atmosphäre eines tosenden Stadions im Rücken zu haben. Statt überbezahlter Fussbalspieler, lockt mich allerdings inzwischen eher die Natur mit ihrer ganzen Schönheit. Geldanlage? Ist vielleicht etwas hochgegriffen, aber zumindest hält sich der Wertverlust für Supertele-Objektive in engen Grenzen. Der Anschaffungspreis ist sehr hoch, aber der Wiederverkaufswert ebenfalls, da solch eine Spezial-Optik immer teuer war und auch bleiben wird. Glas bleibt, wo Kameras vergehen.

Erste Frage: 400mm oder 600mm ?

Die Frage stellen sich übrigens nicht nur viele Hobbyisten, sondern auch Profis. Denn selbst die wenigsten Profis können sich beide leisten. Für mich war die Frage relativ schnell beantwortet. Das 400mm wartet mit vielen Vorteilen im Vergleich zum 600mm f4 auf:
– eine Blendenstufe mehr Licht am Morgen und Abend
– trotzdem die drei wichtige Brennweiten 400mm, 560mm und 800mm mit nur einer Linse
– mit einer Länge von 36cm noch (halbwegs) Handgepäcktauglich

Im Netz gibt es einige Fotografen, die beide besitzen/verwenden oder zumindest beide direkt miteinander verglichen haben. Bei vielen ist das Fazit, dass das 600er Sony noch einen Hauch schärfer abbildet. Ich habe diesen Vergleich nie gemacht, will es aber an dieser Stelle zumindest erwähnen. Für mich persönlich ist das irrelevant, da beide Linsen auf einem extrem hohen Schärfeniveau liegen und andere Gründe ausschlaggebend sein sollten. Für mich ist es nach wie vor die Lichtstärke und die Kombination mit den 61 Megapixeln der A7R4. Allerdings denke ich, dass sich das mittelfristig ändern könnte.

Lichtstärke vs. High-ISO

Die heutigen Sensoren sind auf einem unglaublichen Niveau angelangt. High-ISO Bilder (>6400) aus der A9II oder der A7III sind heute selbst ohne grosse Nachbehandlung praktisch „clean“. Mit etwas stärkerer Behandlung (z. B. mit Topaz DenoiseAI) werden selbst ISO 12800 voll nutzbar und übertreffen alles Dagewesene. Und diese Entwicklung wird voranschreiten. Wenn auch vermutlich nicht mehr mit so grossen Schritten, wie vor einigen Jahren. Man sieht das meiner Meinung auch bereits an der zunehmenden Tendenz der Objektivanbieter kompakte „Dunkel-Zooms“ statt Lichtriesen zu entwickeln. Neuere Beispiele sind das Canon RF 100-500 f4.5-7.1 aber auch das Sony 200-600 f5.6-6.3 ist jetzt kein Lichtriese. Beiden Tele-Zooms ist gemein, dass sie vergleichsweise kompakt sind aber eine sehr hohe Abbildungsqualität liefern. Auch an den Preisen merkt man, dass diese beileibe keine billigen „Dunkel-Zooms“ mehr sind. Die Tendenz extrem teure und lichtstarke Optiken durch Software-Power zu ersetzen, ist in vollem Gange. Und wenn man sich die Leistung von Topaz DenoiseAI oder anderen Entrauschern anschaut, kann man erahnen was zukünftig mit Software möglich sein wird. Unter dem Strich dürfte das auch wesentlich billiger sein, als fortwährend eine neue rauschärmere Sensor-Generation zu entwickeln.

ISO 12.800

Also kurzum – diese Lichtriesen sind Dinosaurier und werden über Kurz oder Lang vermutlich aussterben. Nicht gerade die Herleitung, die ich mir für eine Anschaffung in dieser Preisklasse wünschen würde, aber auf lange Sicht wird das wohl so kommen. Dennoch bleibt der Vorteil der Lichtstärke natürlich erhalten – niedrigere ISO Werte werden auch immer rauschärmer sein und damit das (noch) perfektere Bild liefern.

Gewicht

Der enorme Fortschritt beim Gewicht ist schier unglaublich. Während das 1999 eingeführte Canon EF 400mm f2.8 L IS noch bei 5370g lag, ging das bei Version II schon runter auf 3850g und das Sony 400er wiegt nur noch lächerliche 2895g. Ich habe in den 90er selber noch mit dem 400er Non-IS von Canon (6,5kg !) Bundesligaspiele fotografiert. Das ging ausschließlich mit dem Einbein und ich habe das Monster eigentlich gehasst. Aber bei abendlichen Flutlichtspielen war es selbst in der Bundesliga mit starkem Flutlicht unerlässlich. Der 1000er Agfa Diafilm musste trotzdem auf mindestens ISO 1600 gequält werden. Nur so kam man gerade auf 1/500 bei Blende 2.8. Mit dem Sony 400er kann ich auch locker im Stand fotografieren. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass auch 2,9kg auf Dauer anstrengend werden. Die Leichtigkeit ist dennoch beeindruckend – gerade beim erstmaligen in die Hand nehmen. Allerdings hat der Leichtbau in mehrfacher Hinsicht seinen Preis. Neben dem hohen Objektivpreis, stellt die aus Carbonfasern hergestellte Gegenlichtblende ALC-SH155 als Ersatzteil eine echte Investition dar – knappe 1000 EUR wenns nötig wird. Sollte man also gut drauf aufpassen.

Ausstattung und Praxis

Auf die weiteren technischen Spezifikationen und Ausstattungsmerkmale möchte ich hier eigentlich nicht im Detail eingehen. Die Objektive in dieser Liga sind alle mehr oder weniger gleich ausgestattet:

– AF/MF Umschalter
– AF Begrenzer
– versch. Stabi-Modi 1,2,3
– Set-Taste/Ring
– drehbare Objektivschelle für schnellen Wechsel Hoch-/Querformat
– Filterschublade

Ehrlich gesagt nutze ich persönlich nur wenig davon. Allenfalls mal den AF Begrenzer bei BIF und sowie den AF/MF Umschalter. Beim Fußball habe ich früher häufig bei Canon den Set-Ring benutzt und das Sony hat das auch. Aber die AF Systeme inzwischen so rasend schnell, dass auch nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Im digitalen Zeitalter lässt sich beim Sony 400er auch eine (andere) Funktion auf den Drehring legen – nutze ich aber auch nicht. Das kann im entscheidenden Moment eher zur Konfusion führen, falls man aus Versehen an irgendeinen Knopf kommt.

Hilfreich kann die Funktion Full Time DMF sein. Manchmal beißt sich der AF and irgendwas fest und dann möchte man ohne Umschwenken schnell per MF eingreifen können, um den Fokus wieder „richtig“ zu positionieren. Wenn Full Time DMF eingeschaltet ist, kann man auch bei AFC manuell eingreifen und den Fokus korrigieren. Eine Funktion, die Sony bis dato nur im 400er und 600er eingebaut hat. Damit entfällt das fummelige Umschalten am AF/MF Schalter am Objektiv. Apropos fummelig. Warum nahezu alle Objektivhersteller diese Schalter an den Objektiven so winzig klein und flach machen müssen regt mich schon lange auf. Mit Handschuhen im Winter unbedienbar! Und selbst ohne Handschuhe nur mit langen Fingernägeln. Auch wenn ich die meisten Schalter eh nicht bediene, ist das schon extrem unpraktisch.

Sony FE 400mm f2.8 GM Schalterpanel

Ein wenig ärgerlich ist ebenfalls, dass man den Steady Shot nicht mit einem Knopfdruck an der Kamera abschalten kann, sondern immer an diesen Mini-Schiebeschalter ran muss. Für BIF (Birds in Flight) beispielsweise schalte ich den OSS in der Regel ganz aus, da die Verschlusszeit kurz genug ist und ich damit mögliche Irritationen durch den OSS ausschließen kann. Denn auch wenn es dafür extra den OSS Modus 3 gibt, traue ich dem OSS nicht immer. Mag sein, dass das völlig unbegründet ist und mir das auch jeder Sony Techniker versichern würde, ich lasse den OSS bei BIF aus.

Den Stativfuß habe ich übrigens direkt gegen einen Wimberley AP-609 mit Arca Swiss kompatibler Schiene ausgetauscht. Leider ist dieser schwarz und nicht besonders komfortabel zum Tragen der Linse, da es keinerlei Polsterung oder anatomische Ausformung gibt. Dafür ist er flach, leicht und erlaubt die sofortige Montage auf Arca Swiss Zubehör wie z.B. meiner Schnellwechselplatte auf dem Einbein.

Stativfuß Wimberley AP-609

Erwähnen möchte ich an dieser Stelle auch noch mal ausdrücklich, dass nicht nur das Gewicht den großen Unterschied zu den früheren Generationen von 400er ausmacht, sondern auch die auffällige Schwerpunktverlagerung hin zur Kamera. Das fällt sofort auf, wenn man das Sony 400mm erstmals in die Hand nimmt. Dies macht ein ermüdungsfreies Arbeiten wesentlich leichter und ist ein echter Pluspunkt.

Bildqualität

Bei einem Objektiv dieser Güteklasse über Bildqualität zu philosophieren, ist wie Eulen nach Athen zu tragen – eigentlich überflüssig. Wenn man ein 400mm f2.8 kauft – durfte man und darf man immer noch Spitzenniveau erwarten. Und der „Newcomer“ im Objektivquartett -Sony- macht da keine Ausnahme. Die Linse ist offenblendig scharf und auch mit den Konvertern fallt die Leistung deutlich weniger ab als das bei alten Konstruktionen schon mal der Fall war. Deshalb kann ich an dieser Stelle auch nicht mehr zur Bildqualität schreiben – sie ist einfach standesgemäß.

Tierportrait einer Warzenente @400mm f2.8

Tele-Konverter Einsatz

Inzwischen kann ich auch auf einige Erfahrungen mit beiden Sony Konvertern zurückgreifen. Den 1,4x Konverter hatte ich ohnehin schon und dort sehe ich nahezu keinen Unterschied bei der Schärfe und Bildqualität. Mit dem 2x Konverter habe ich lange gezögert, da man doch einige Negativberichte dazu im Netz findet. Und wie so oft muss man die Dinge selber ausprobieren, um anschließend (positiv) überrascht zu werden. In der Standardschärfung ist der 2x Konverter in der Tat marginal weicher als der 1,4x. Dies lässt sich aber einfach durch gezielte Schärfung beheben, so dass man grandiose Bilder bei 800mm mit f5.6 bekommt. Allerdings wird der AF schon merklich langsamer. Das Bokeh bleibt auch mit den Telekonvertern sehr schön weich und erzeugt schöne Bokehringe, so dass auch naher unruhiger Hintergrund schön gerendert wird.

560mm mittels 1,4x Telekonverter mit nahen Ästen im Hintergrund
800mm mittels 2x Telekonverter vor unruhigem Gebüsch im Hintergrund

Kombination mit den 61MP der A7R4

Besonders hervorheben möchte ich nochmal die Nutzung des Sony 400mm Objektivs an der 61 Megapixel Kamera Sony A7R4. Im Gegensatz zum Sony 200-600mm funktioniert der AFC am 400mm tadellos. Diese Kombi ist ein Traumgespann, da sich die hohe Lichtstärke, sowie die enormen Crop-Möglichkeiten der A7R4 optimal ergänzen. Der Telekonverter ist quasi schon eingebaut. Dazu ein Beispiel mit dem Originalbild ungecroppt, gecroppt, sowie die 100% Ansicht:

Originalbild mit 1,4x Telekonverter @560mm ohne Zuschnitt
Crop Bild
100% Ansicht aus Adobe Lightroom CC

Der Detailreichtum ist selbst bei diesem extremen Ausschnitt immer noch phänomenal und verblüfft mich immer wieder aufs Neue. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass die A7R4 gnadenlos jeden Bedienfehler aufdeckt. Jede noch so kleine Verwacklung sieht man überproportional stark bei 61MP (in der 100% Ansicht). Arbeitet man mit der Kombi formatfüllend sind die Details einfach überwältigend.

Zoomt man auf 100% rein, kann man die einzelnen Federenden zählen!

FAZIT

Nach knapp 2 Jahren mit dem 400GM kann ich behaupten, dass mich dieses Objektiv immer noch beeindruckt und erfreut. Das niedrige Gewicht, die gute Balance und die Vielseitigkeit durch den nahezu verlustfreien Konvertereinsatz. Insofern bereitet mir die Nutzung viel Freude und damit alleine kann ich den Kauf vor mir „rechtfertigen“.

Aber das Bessere ist ja bekanntlich der Feind des Guten und so schiele ich schon ein wenig neidisch auf das von Nikon frisch vorgestellte Z400mm f2.8 mit integriertem TC14. Denn trotz der sehr guten Qualität mit dem TC14 am Sony, bleibt das Anflanschen des TC immer wieder nervig. Es kostet Zeit und bringt i.d.R. Staub auf den Sensor – insbesondere bei harschen Wetterbedingungen. Mit einem Fingerklick von 400mm auf 560mm und wieder zurück, bringt ne Menge Vorteile. Aber zum Glück mag ich diese „Brikettkamera“ Z9 gar nicht, insofern scheint mir ein Wechsel zu Nikon derzeit undenkbar.

4 Replies to “SONY FE 400mm f2.8 GM”

  1. Vielen Dank für deinen ausführlichen Bericht. Im deutschsprachigen Raum ist es schwer was zu dem Objektiv zu finden. Die Schärfeleistung ist hier wirklich beeindruckend. Mein 200-600 kommt da nicht ran.

    1. Ja da stimme ich grundsätzlich zu – das 400mm ist selbst mit 1,4x TC schärfer. Aber der Unterschied zu meinem 200-600 ist wirklich nur marginal. Den wirklichen Unterschied findet man in der AF Geschwindigkeit. Die AF Motoren des 200-600G sind halt „nur“ Direct Drive SSM im Gegensatz zu den XDS Motoren im 400GM. Und leider funktioniert der AFC an der A7R4 in Kombi mit dem 200-600G weiterhin nicht wirklich zuverlässig.

  2. Ich kann deinen Beitrag 100% unterschreiben. Ich besitze seit Mai 21 das 400GM und habe den Kauf nie bereut. Ich habe vor Jahren lange mit einen Canon 200/1,8 L Objektiv gearbeitet und habe diesen Look geliebt. Look im Sinne vom Zusammenspiel von Farbe, Bokeh, Schärfe und Kontraste. Das hatte ich nach Jahren jetzt erst wieder beim 400 GM gefunden, welches umgerechnet ein 200/1,4 wäre….

    Dazu bin ich über die hohe Flexibilität begeistert, da man damit auch sehr viel alltagspraktische Dinge fotografieren kann, sogar als Makro. Das ist für mich sehr wichtig, weil das Objektiv erst dann für mich teuer ist, wenn ich es nicht verwende. Somit ist das 600er für mich persönlich zu teuer, nicht nur wegen den Anschaffungspreis, sondern weil es doch wieder durch die hohe Brennweite zu speziell ist. Das 600er würde ich glaube nur Jemanden empfehlen, der ausschließlich Wildlife übers Feld macht. Somit ist das 400er für mich das beste Sony Objektiv. Mittlerweile zählt Lightroom 110 000 Fotos mit den 400 GM und kann sagen, dass ich es gut und gerne an meiner A9II verwende ;-).

    1. Hallo Stefan,
      vielen Dank für den Beitrag. Ja das EF 200mm f1.8 hatte ich seinerzeit auch – insbesondere für Hallensport wie Basketball oder Handball einfach genial. Leider war die f1.8 ein wenig weich und man musste doch eher auf f2 abblenden. Auf >100.000 Fotos mit dem GM komme ich leider nicht mehr. Das Olympus 150-400 f4.5 ist inzwischen meine Hauptlinse geworden. Dennoch mag ich mich (noch) nicht vom 400GM trennen. Der Look mit dem 400GM ist schon nochmal etwas anderes als mit dem Olympus. Aber letztlich wiegen die knapp 3kg dann für mich eben doch schwerer als die 1,9kg beim Olympus und man hat ein extrem hochwertiges Zoom.

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